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Wenn die Mauer steht

demDer Moment, in dem es leichter ist, nicht an dich zu denken


Seelenhund Mázli, die auf einem Baumstamm im Schnee liegt
Mázli, die königlich über den schneebedeckten Wald herrscht.

Ich schicke diese Gedanken zu meinem Seelenhund Mázli auf die Regenbogenbrücke. Eine verdammt lange Zeit ist jetzt vergangen, seit dem ich mich das letzte Mal intensiv mit meiner Trauer auseinandergesetzt habe. Es ist viel zu leicht geworden, sich nicht mit diesem Thema zu beschäftigen, doch ich weiß, dass das gefährlich werden kann.

Über Weihnachten und Neujahr kamen derart viele Erinnerungen auf mich zu, dass ich begonnen habe unbewusst komplett alle Gefühle an Mázli ab der Heimfahrt zu verdrängen. Am Anfang noch habe ich darauf gewartet, dass mich die Trauer überkommt, ich habe schon regelrecht darauf gewartet, doch es passierte nichts. Ich habe mich auf Weihnachten gefreut und hatte auf der langen Heimfahrt viel Spaß mit Ben. Das Projekt Remeny in Ungarn nahm zudem so viel Zeit in Anspruch, dass es ganz leicht war, nicht an Mázli zu denken. Ich dachte mir auch, dass ich ja vielleicht alles verarbeitet habe und einfach glücklich sein kann, doch dem ist natürlich nicht so. Ich habe mir lediglich eine Mauer um all meine Gedanken und Gefühle gebaut.

Da es so einfach war, mich mit anderen Sachen - und vor allem anderen Hunden - abzulenken, ging es ganz schnell und leicht diese Mauer zu errichten und zu stärken. Keiner sprach den toten Hund an und somit musste ich mich auch nicht damit konfrontieren. Für alle schien das ein guter Weg zu sein und ich wirkte wohl auch wirklich fröhlich und glücklich über die Feiertage, wurde mir gesagt. Die vielen Besuche bei Freunden und Verwandten machten es für Ben und mich sowieso zu einer stressigen Zeit, in der ich gar nicht die Möglichkeit hatte, mich zu reflektieren und zu hinterfragen. So redete ich mich selbst heraus, Woche für Woche.

Es war zurück in Kroatien, als wir eine nette Frau trafen, die uns die einfache Frage stellte, ob wir schon immer mit drei Hunden im Van reisten. Ganz gewiss spielte sie nicht darauf an, ob es mal mehr Hunde gewesen sind. Sie fragte sich eher, ob wir mit einem Hund angefangen haben und es dann immer mehr wurden, oder ob es von Beginn an drei waren. Dennoch schoss mir natürlich augenblicklich Mázli in den Kopf. Unsere neue Bekanntschaft wusste nichts von dem verstorbenen Hund und daher war es leicht, Mázlis Existenz zu verdrängen. Aus einem Kurzschluss heraus antwortete ich: „Ja, wir reisen schon immer mit drei Hunden!“. Nur flüchtig spürte ich sofort Bens schockierten Blick auf mir, viel zu sehr war ich selbst von mir erstaunt, wie ich Mázli so leicht verleugnen konnte.

Für Ben war dieser Moment ebenso vielsagend wie für mich. Es war genauso schlimm für ihn zu hören, wie ich Mázli totschwieg, wie es mich schockierte, dass ich dazu in der Lage war. Aus reiner Angst einen Stein der Mauer zu lösen, der diese eventuell ins Wackeln bringen konnte, beschloss ich lieber, meine Finger davon zu lassen. Ich hasste mich in diesem Moment so unbeschreiblich und bemerkte, dass eben nicht alles verarbeitet war und ich einfach glücklich sein konnte. Ich bin alles andere als glücklich.

Solange niemand auch nur im entferntesten die Existenz von Mázli anspricht, ist alles cool, doch triggert mich auch nur das geringsten, legt sich diese große Mauer zentnerschwer um mein Herz. Es war so leicht, sich mit Chelly zu beschäftigen und mich in die Beziehung mit Ben reinzuhängen. Immer war etwas dringender und wichtiger die letzten Wochen, als dass ich wirklich die Kraft aufbringen konnte, mich mit mir und meiner Trauer auseinanderzusetzen.

Ich weiß ich sollte das nicht tun, doch im Moment bekomme ich es einfach nicht anders hin. Einen kurzen Artikel zu verfassen, um wenigsten meine gefährliche und besorgniserregende Prokrastination festzuhalten, macht mich hoffentlich wach und holt mich aus der Bequemlichkeit der Verdrängung wieder heraus. Viele sagen mir, dass Verdrängung eine ganz normale Phase der Trauer ist und auch ihre Berechtigung hat, doch ich war bereits das letzte Jahr lange genug in dieser Phase, um zu wissen, gebe ich mich ihr hin, geht das nicht gut aus. Ich neige dazu, eine unkontrollierbare Wut zu entwickeln, die im Nährboden meiner Verdrängung keimt und in erschreckender Geschwindigkeit wächst. Für meine Wut ist es ein leichtes über die Mauer zu kommen, das ist das Gefährliche daran und könnte mir erneut zum Verhängnis werden.

Ich will einen Weg finden mit der Trauer um dich zu leben, meine geliebte Mázli. Doch der Schmerz ist so groß, dass ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Dich zu verleugnen ist sicher der falsche Weg, doch gib mir etwas Zeit mich zu entwickeln denn ich werde dich nie vergessen. Stolz dich an meiner Seite gehabt zu haben werde ich irgendwann vor jedem mit dir Prahlen, habe ich es erst einmal gelernt deinen Tod zu akzeptieren.

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