Hilft du mir bei Hof und Haus, bekommst du dafür Bett und Schmaus
Einfach mal raus aus dem Alltag, mal was anderes sehen und erleben – das wünschen sich die Meisten, die Urlaub gegen Hand in Anspruch nehmen. Sie sind sich nicht zu schade dafür im Alltag eines anderen mit anzupacken und im Gegenzug für den kleinen Geldbeutel etwas Urlaub machen zu können. Ganz nach dem Motto: Hilfst du mir bei Hof und Haus, bekommst du dafür Bett und Schmaus. Auch wenn diese Initiative noch nicht sehr bekannt ist, erfreut sie sich zumindest auf Facebook mittlerweile schon großer Beliebtheit. Die über 120.500 Mitglieder der Pioniergruppe „Urlaub gegen Hand“ haben in der Gruppe der Socialmediaplattform die Möglichkeit Angebote einzustellen sowie Anfragen zu veröffentlichen. Mittlerweile gibt es auch schon einige weitere Gruppen, die das Gleiche oder ähnliches anbieten, sich jedoch nicht ganz so großer Beliebtheit erfreuen. Das Prinzip ist dabei in der Regel immer das Gleiche: Egal ob Jung oder Alt, vom Land oder aus der Stadt, für eine Woche oder ein Jahr – Menschen mit Herz die Hilfe brauchen suchen Menschen mit Herz die helfen. Sei es eine alte Frau, die ihr weitläufiges Stück Land nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr alleine pflegen kann und immer wieder für einige Wochen junge Familien bei sich aufnimmt, die umsonst Urlaub auf dem Land machen können und der alten Frau dafür zur Hand gehen und ihr etwas Gesellschaft leisten. Oder ein junges Pärchen, direkt aus der Großstadt, das dringend verreisen muss und jemand sucht der für einige Tage auf die drei Katzen und sechs Chinchillas aufpasst, dafür in der Wohnung sturmfrei hat und direkt vor der Haustüre etwas großstadtbummeln gehen kann. Die Angebote könnten vielfältiger nicht sein und erstrecken sich über die ganze Welt. Egal ob junge Auswanderer aus Schottland und Finnland, engagierte Tierschützer aus Rumänien und Spanien oder lebenshungrige Rentner aus Österreich und Portugal – überall gibt es Menschen, die Hilfe gebrauchen können, in schwierigen Lebensphasen Beistand wollen oder etwas Gesellschaft suchen. Und das Pendant dazu ist ebenso vielfältig. Von jungen Studenten die ein paar Monate etwas Work and Travel durch Europa machen wollen, über kleine Familien die nach schweren Schicksalsschlägen einige Wochen eine etwas andere Kur gebrauchen können, bis zu Menschen, jeden Alters, die in einer Selbstfindungsphase stecken und noch auf der Suche nach ihrem Platz im Leben sind. – Unter den zahlreichen Mitgliedern der Gruppe findet man einfach alles wieder. Durch Zufall fanden auch wir uns vor einem guten halben Jahr in dieser einmaligen Facebook-Gruppe wieder. Wir stellten – vollkommen unabhängig voneinander – eine Anfrage in die „Urlaub gegen Hand“-Gruppe und erzählten von unserem Plan auszusteigen. Binnen weniger Tage bekamen wir beide die unterschiedlichsten Angebote aus ganz Europa von Leuten, die uns mit unseren Vierbeinern bei sich aufnehmen wollten wenn wir ihnen dafür etwas zur Hand gehen. Oft gab es auch noch die Möglichkeit etwas Taschengeld dazu zu verdienen oder sogar die Aussicht auf eine befristete Festanstellung für einige Monate. Da wir beide zu Beginn unseres Ausstiegs noch reichlich planlos waren, bot sich uns über Urlaub gegen Hand die perfekte Gelegenheit mal einige Länder zu bereisen – mit einem festen Ziel vor Augen – und durch das Aufgenommen werden von Einheimischen auch gleich in Land und Leute integriert zu werden. Als wir uns dann auch noch gegenseitig kennenlernten und feststellten, dass wir genau das Gleiche vorhatten, kam überraschend schnell das Eine zum Anderen und wir nahmen die „Urlaub gegen Hand"-Angebote gemeinsam an. So bekamen wir das letzte halbe Jahr die Möglichkeit nicht nur uns, sondern zusammen auch unwahrscheinlich spannende Menschen und Länder kennen zu lernen, herzlichst in Familien integriert zu werden und uns im Gegenzug flexibel auf vielfältigste Arbeiten einzustellen. Doch natürlich ist nicht immer alles Gold was glänz, und bei über 120.500 Mitgliedern lässt sich auch in dieser Gruppe das Eine oder Andere schwarze Schaf nur schwer vermeiden. Wenngleich der Admin der Gruppe stets bemüht ist alle ungewollten Unruhestifter und Betrüger sofort zu entlarven, kommt es immer wieder vor, dass jemand den Grundgedanken der Gruppe zu seinem Vorteil ausnutzt. Leider passiert es immer wieder, das Angebote eingestellt werden, die bei Anreise des UgH’lers plötzlich nicht mehr existieren und dieser dann irgendwo im Nirgendwo sitzenbleibt, Reisende bei Stellen zusagen bei denen Hilfe dringend gebraucht wird und dann aber nie anreisen oder aber Versprechungen gemacht werden, die sich nicht im Ansatz bewahrheiten. Wenn einfach nur billige Arbeitskräfte gesucht werden, das Miteinander keine Rolle spielt und der Urlaubsteil bei Urlaub gegen Hand anfängt unterzugehen, dann wurde der Leitgedanke und Grundsatz dieser gemeinnützigen Initiative scharmlos ausgenutzt. Auch wir mussten diese Erfahrungen bereits machen, haben uns davon aber nicht unterkriegen lassen. Zu viele überraschend geniale Angebote haben wir im Ausgleich dafür das letzte halbe Jahr angenommen. So werden wir auch weiterhin unser Vertrauen in diesen kleinen Teil von Menschen setzen, die einem uneigennützig und fair, ja oft sogar selbstlos, helfen und zur Hand gehen. Das unendliche Vertrauen in das Gute im Menschen, dass bei so vielen Mitgliedern der Gruppe zu sehen und spüren ist, stellt eine unwahrscheinlich bewundernswerte Eigenschaft in dieser Welt voll Habgier und Zweifel dar. So oft schon mussten wir uns von Außenstehenden vorwerfen lassen wie leichtsinnig, dumm und naiv es sei derart blind einem Fremden zu vertrauen. Auch selbst hegten wir noch zu Beginn der Reise viele tiefsitzende Zweifel und – durch die Gesellschaft fest verankertes – Misstrauen gegenüber jedem, der uns scheinbar selbstlos Gutes tun wollte. Doch wir ließen uns eines Besseren belehren. Wir bekamen Einladungen und Geschenke, ohne dass je eine Gegenleistung erwartet wurde. Uns wurde – als Fremde – unvorstellbares, blindes Vertrauen entgegen gebracht, dass uns zum Nachdenken brachte. Schließlich wurden wir immer mehr davon überzeugt, uns ein Beispiel an dieser unglaublichen Eigenschaft zu nehmen, derart unvoreingenommen und selbstlos geben und vertrauen zu können. Wenngleich dies auch sicherlich unter Umständen durchaus zur Gefahr werden kann. Doch all die Menschen denen wir auf unserem Weg durch die „Urlaub gegen Hand“- Angebote bisweilen begegnet sind, haben mit ihrem Vertrauen in die Welt, das Schicksal, die Menschheit und das Universum eine Lebenseinstellungen erlangt, die uns über all die Monate sehr stark zum Umdenken gebracht hat. Im Vertrauen leben nennen die Meisten diese Einstellung. Und genau diese Mentalität der Menschen, die der Initiative Urlaub gegen Hand angehören ist leider nicht mehr sonderlich oft in unserer Gesellschaft zu finden. Einen Blick hinein in dieses Lebenskonzept zu werfen, stellt viel mehr da, als nur etwas kostenfreien Urlaub zu machen gegen Unterstützung und Hilfe bei der Arbeit. Wir haben durch unsere Erlebnisse wieder angefangen vieles mit anderen Augen zu sehen, einen Blick auf Dinge zu werfen, wie es uns seit der Kindheit nicht mehr möglich war und – so Mainstream dass nun auch klingt – wieder begonnen an das Gute zu glauben und darauf zu vertrauen, dass es kommt.
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