Von hohen Erwartungen und unerwarteten Konsequenzen
Unser Angstbeißer und Autist Trolly macht uns das Leben auf 12 qm oft wirklich nicht leicht. Ganz besonders, dass er mit fremden Hunden - und somit auch mit Korny - nicht sonderlich gut klar kommt, nagt stark an der Beziehung zwischen uns beiden.
Von Anfang an hat unser Angsthund immer mal wieder versucht, auf Korny loszugehen, doch wir waren stets rechtzeitig zur Stelle um dazwischen zu gehen. Es reichte oft schon, wenn Korny nur träumte und dabei mit den Füßen zuckte, oder sich unser Schlitzohr verletzte und einen kleinen Schrei lies. Jede dieser Situationen triggerte unseren Trolly dermaßen, dass er vorwärts ging. Vorwärts auf Korny, um ihn anzugreifen. Für unser verträumtes Schlappohr wahren das natürlich Situationen, in den er sich absolut keiner Schuld bewusst war und auch nicht die Notwendigkeit sah, sich zu wehren. Oft schaltete Trolly auch so schnell um, dass weder wir noch Korny begriffen, was los ist. Seit einiger Zeit wurde das aber besser und Trolly schien sich an Korny zu gewöhnen. Wir hatten seit Längerem schon die Erwartung, dass unser Angsthund den kleinen Korny nun endlich akzeptiert hat und dieses riesen Problem etwas kleiner geworden war. Genau das wurde uns diese Woche aber zum Verhängnis. Diese Erwartungshaltung wiegte uns in Sicherheit, eine gefährliche Sicherheit. Als wir eines Abends gemeinsam spazieren waren, kamen Chelly und Korny in Spiellaune und begannen sich gegenseitig etwas zu necken. Trolly beäugte die beiden von der Leine aus einige Minuten misstrauisch, bis Korny sich dazu entschied aufs Ganze zu gehen. Mutig sprang das kleine Schlitzohr auf Chelly zu und ließ dabei einen auffordernden Kläffer zum Spielbeginn von sich. Was danach passierte, spielte sich binnen Sekundenbruchteilen ab. Chelly und Korny waren so nah an uns herangekommen beim Spielen, dass Trolly beim Vorwärtsgehen Korny am Fuß packen konnte. Voller Angst und Panik dachte unser Problemhund, er müsse das Rudel vor dem bösen Angreifer beschützen und stürzte sich auf Korny. Natürlich riss Ben sofort die Leine zurück und versuchte Distanz aufzubauen, aber da war es schon zu spät. Korny schrie aus Überraschung und Schmerz und dieser Schrei legte bei Trolly endgültig einen Schalter um. Er hängte sich in sein Geschirr, ruderte wie wild über den Boden und ließ sich nur mit großem Kraftaufwand von Korny wenige Zentimeter entfernen.
Das Schlimmste aber war Chellys Verhalten. Sie kennt Trolly einfach schon viel länger und ist durch und durch eine Mitläuferin. Als unser Angsthund auf Korny vorwärts ging, ging Chelly sofort mit. Beide verbissen sich in unserem kleinen Schlitzohr, bis er auf einer Steinmauer in Sicherheit gebracht werden konnte. Die Bullies waren wie in Trance vom Blut gefasst und ließen sich nicht mehr beruhigen. Wie ein Jagdhund das Häschen reißt, so wollten sie Korny schnappen. Dieser stand vollkommen fertig zitternd auf der Mauer und verstand die Welt nicht mehr. In einer Tierklinik wurde Korny am selben Tag noch versorgt und seine acht Bisswunden verarztet. Körperlich geht es ihm nach fast einer Woche schon wieder besser, doch man sieht ihm mittlerweile an, wie unsicher er im Umgang mit fremden Hunden und seinem Verhalten diesen gegenüber geworden ist. Die Folgen für uns und die Vierbeiner haben wir immer noch nicht ganz überschaut. Doch wir wissen nun, nie mehr darf sich die Erwartung einstellen, dass doch eigentlich alles okay ist. Diese Gewöhnungsphase wird uns das nächste Mal sonst vermutlich zum Verhängnis.
UPDATE: Es ist jetzt bald ein Jahr her, seit unser Korny sich seine Narben aus der schlimmen Beißerei mit den Bullies zugezogen hat. Mittlerweile trägt unser Trolly einen Maulkorb, fast rund um die Uhr. Es gab das letzte Jahr noch einige Zwischenfälle mehr mit unserem Angstbeißer, die uns zu dem Mittelweg mit dem Hausanzug gebracht haben. Einen weiteren Vorfall mit Korny gab es zwar nicht mehr, doch in regelmäßigen Abständen triggert ihn der Kleine immer noch auf unerklärliche Weise.
Chelly hat über das letzte halbe Jahr ebenso oft einen Maulkorb getragen, und war viel mit Korny alleine unterwegs. Sie hat absolut kein Problem mit ihm und weiß vermutlich nicht einmal mehr, dass sie ihn vor einem Jahr angegriffen hat. Den Impuls, wenn Trolly vorwärts geht, mit ihm mit zu preschen, haben wir mit Chelly intensiv trainiert und sehr gut in den Griff bekommen. Mit Korny geht unsere Rüdin viel zusammen Streunern und erst vor Kurzem hat unser Schlitzohr sie das aller erste Mal seit dem Vorfall wieder angespielt.
Mit Trolly vermeiden wir Situationen, die ihn stressen und ihm Angst bereiten größtenteils und setzen ihn diesen nur dann aus, wenn wir sie auch kontrollieren können. Kaum einer hat es für möglich gehalten, doch wir sind auf einem guten Weg Trolly auf seinem restlichen Lebensweg begleiten zu können, ihm Lebensqualität zu schenken und dennoch niemanden in Gefahr zu bringen.
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