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Reisetagebuch Ungarn 1/3

Von der Strandbar in den Pferdestall


Als wir uns entschlossen aus dem Paradies zu gehen und weiter zu ziehen, waren wir noch ziemlich planlos. So richtig trauten wir uns nicht ins Vanlife und hatten auch noch ein paar Kleinigkeiten in Deutschland zu regeln, die uns schlussendlich dazu trieben, wieder etwas Richtung Norden zu fahren. Wir entschieden Ungarn als nächstes Ziel anzupeilen und schauten uns nach einem ersten Stopp um. Gerade Jess sollte eine Möglichkeit haben, beim nächsten Halt etwas weniger Trubel und mehr Zeit für sich zu bekommen.

Leider stellte sich unser erstes Ziel bei einer Urlaub gegen Hand Stelle im Norden Ungarns als absoluter Reinfall heraus. Angeschrieben wurden wir von einer absolut offenherzig wirkenden Frau, der ein großes Gestüt gehörte und die uns beiden einen tollen und verständnisvollen Eindruck machte. Als begeisterte Westernreiterin und Anhängerin des Horse-Man-Ship freute sich Jess sehr darüber, dass die Hofbesitzerin bereits beim Schreiben darauf einging, dass es ihr doch sicher guttun würde vorbei zu kommen und einige Wochen zu nutzen, um sich von den Pferden therapieren zu lassen.

Das anfänglich so perfekte Angebot entpuppte sich aber leider sehr schnell zu einem eher ausbeuterischen Verhältnis. Der UgH-Deal wurde klar kommuniziert: drei Mahlzeiten am Tag für fünf Stunden Arbeit. Nach dem Angebot in Kroatien stieß uns bereits das etwas sauer auf, wir fanden es aber auch nicht großartig unfair und ließen uns darauf ein. Duschen und Wäsche waschen war natürlich mit dabei und selbst die Möglichkeit ein kleines Taschengeld zu verdienen, wurde uns in Aussicht gestellt. Also alles soweit eigentlich ganz in Ordnung. Die Arbeit mit den Pferden sollte nach einigen Tagen Eingewöhnung folgen und Ben hatte alles andere als ein schlechtes Gewissen, als er nach einer Woche beschloss, einen wichtigen Termin in Deutschland wahrzunehmen und mit dem Van für einige Tage das Land zu verlassen.

Mit seiner Abreise änderte sich dann allerdings einiges schlagartig. Die Tatsache, dass Jess nur vegetarisch Essen wollte, wurde komplett ignoriert und das tägliche Fertigessen aus der Gaststätte nebenan war immer öfter aus Versehen ein Fleischgericht. Anfangs hatte die Gastmutter noch auf Fleisch aus artgerechter Tierhaltung geschworen, aber selbstgekocht und dies umgesetzt hat sie nie. Es gab täglich Fast Food und wenn Jess das Gericht nicht essen wollte, hatte sie eben Pech. Das Frühstück wurde zunehmend weniger und die Arbeit, die wir zuvor gemeinsam erledigt hatten, musste nun von Jess allein gemacht werden, um das Zimmer, welches ihr gestellt wurde, zusätzlich noch abzuarbeiten. Unsere Hunde, die von uns im vornerein klar kommuniziert wurden, waren auf dem großen Pferdehof nicht wirklich erwünscht und wurden gerade so geduldet. Selbst der kleine Korny durfte nur mit zwei zugedrückten Augen und ganz vielen Auflagen mit aufs Zimmer zu Jess. Die Bullies bekamen, so wie die Hunde anderer Besucher, eine Pferdebox zugewiesen, in der sie den Tag verbringen sollten.

Nach dem morgendlichen Koppel misten, Pferde versorgen und Heunetze füllen, benötigte der Stallbursche oft auch noch nachmittags Hilfe. Wenn dabei irgendetwas zu lange dauerte, dann nur, weil zu langsam gearbeitet wurde und natürlich nie, weil die Arbeit einfach viel zu viel wurde für eine Person. Die versprochene Zeit mit den Pferden fand keinen Platz mehr und wurde immer wieder verschoben. Das herzliche Miteinander, welches wir auf dem Campingplatz so genossen hatten, blieb an dieser Stelle vollkommen aus. Auch wenn der Plan gewesen war, irgendwo etwas weniger turbulent unterzukommen, hatten wir nie einen derart sterilen und fremden Umgang miteinander gewollt.

Als die Herbstferien anrückten, meldeten sich Sarah Sascha mit der kleinen Joline bei uns. Die neu gewonnen Freunde aus Kroatien fragten nach, wo wir denn gerade steckten. Mit den Worten Reiterhof, Ferien und Korny war die kleine Tochter bereits vollkommen überzeugt und wollte uns besuchen kommen. Einen Abstecher nach Budapest und den Plattensee zu machen, um uns dann ein paar Tage zu treffen, bot sich für die drei sehr gut an. Sie hatten bereits entschieden, wieder nach Kroatien zu fahren über die Ferien und beschlossen kurzer Hand auch noch nach Ungarn zu kommen. Bens Termin zog sich leider etwas länger als gedacht und so freute sich Jess umso mehr über den unerwarteten und spontanen Besuch des lebenslustigen Trios. Zu Beginn konnten Sarah und Sascha die Erzählungen noch nicht ganz glauben und machten sich keinen Kopf. Doch mit jedem Tag mehr, den sie auf dem Hof verbrachten, bekamen auch sie den Eindruck, als dass auf dem Hof nur billige Arbeitskräfte gesucht wurden und sonst nichts.

Am Anreisetag bereits wurden der kleinen Joline eine Reitstunde in Aussicht gestellt, die nie stattfand. Sarah und Sascha beschlossen höchstens eine Woche zu bleiben, nur auf dem Hof zu übernachten und sich den Rest vom Tag Ungarn anzuschauen. Jess war bei jedem Ausflug fest eingeplant, um sie endlich mal vom Stall wegzuholen. Durch den Verzicht auf die drei Mahlzeiten musste Jess nur noch früh morgens ein paar Stunden arbeiten, um das Zimmer abzubezahlen und durfte dann gehen. Diese Stunden jeden Morgen, halfen die drei tatkräftig mit, um noch schneller vom Hof fahren zu können. Was Sarah und Sascha getan haben, um Jess den Aufenthalt bis zu Bens Rückkehr so angenehm zu gestalten, werden wir den beiden sicherlich nie vergessen.

Zumindest Jess konnte durch die beiden endlich etwas von Ungarn sehen und hatte eine großartige Zeit in Budapest und am Plattensee. Die letzten Tage vor der Abreise unserer Freunde, kam Ben dann auch endlich wieder zurück und wir hatten alle zusammen noch eine wirklich tolle Zeit. Gerade Budapest stellt bei Nacht eine wunderschöne Skyline dar. Bei einigen Trips auf kleinere Berge in der Umgebung, hatten wir die schönste Aussicht auf die Hauptstadt des Landes. Da die Hauptsaison bereits vorüber war, stellten auch die Ausflüge an den Plattensee sehr entspannende Momente dar. Die meisten Uferbereiche waren leer und wir konnten uns sorglos mit den Hunden am Wasser bei überraschend warmen Temperaturen erholen. Auch dieses Mal viel der Abschied wahnsinnig schwer und wir haben vor allem die kleine Joline damit getröstet, dass wir uns auf jeden Fall wieder sehen werden.

Keine zwei Tage nach der Abreise unserer Freunde spitze sich die Situation auf dem Hof ziemlich krass zu. Die Gastmutter legte immer stärker bevormundendes und Wort wörtlich bestimmend mütterliches Verhalten an den Tag, sie störte das Handy am Tisch beim Essen und die Kopfhörer im Ohr bei der Arbeit. Zudem wurde auch immer öfter darauf gepocht, dass zu langsam gearbeitet wird. Es war deutlich zu spüren, wie unerwünscht die fehlende Zeit zum Besichtigen des Landes wirklich gewesen war und dass wir eigentlich auf dem Hof hätten bleiben sollten, um zu arbeiten.

In Erinnerung an die schönen Tage mit unseren Freunden stellten wir uns schließlich die Frage, was uns auf diesem Hof überhaupt hielt und konnten es uns nicht erklären. In einer nicht ganz so netten Verabschiedung der Gasteltern beschlossen wir quasi von einem Moment auf den anderen unsere Sachen zu packen und zu fahren. Gerade an diesem Morgen meldete sich plötzlich jemand auf unseren alten Beitrag in der Urlaub gegen Hand Gruppe und fragte, ob wir noch auf der Suche seien und Interesse an Haussitting in Ungarn hätten.

Wie unsere Zeit in Ungarn weiter - und schließlich zu Ende - ging, kannst du im Artikel Reisetagebuch Ungarn 2/3 sowie dem Beitrag Reisetagebuch Ungarn 3/3 gerne nachlesen.


 


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