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Reisetagebuch Kroatien 3/3

So geht das Paradies zu Ende


Nach fast drei Monaten endete unser Ausflug ins Paradies und Urlaub gegen Hand-Angebot vor über zwei Wochen ziemlich abrupt. Ohne jede Vorwarnung standen wir plötzlich da und mussten einsehen, dass es vielleicht doch zu schön war, um wahr zu sein.


Der Sommer schien zuerst noch von Woche zu Woche besser zu werden. Nach den Highlights des letzten Monats erlebten wir immer noch fast jeden Tag Neues, das uns zum Staunen brachte. Absolut sensationell war unter anderem die aufgeschlossene und herzliche Art eines ganz besonderen Gastes auf dem Campingplatz.


Der etwas übergroße Typ in Badeschuhen kannte uns noch keine 24 Stunden, als er uns auf ein gemietetes Boot zu einem Ausflug aufs Meer mitnahm. Mit seinem besten Freund zusammen machte er einen Zelturlaub auf dem Campingplatz und schenkte uns unvergessliche Momente. Das Bootfahren war nichts Neues mehr für uns, doch bei dem Ausflug mit dem tätowierten Frohmenschen entdeckten wir noch mal ganz andere Seiten des Meeres. Wort wörtlich starteten wir die Tour mitten ins Blaue. Durch Zufall entdeckten wir die kuriosesten Inseln und machten halt an den schönsten Stellen der Kornaten. Wenn unser gemütlicher Captain beschloss, es war Zeit für ein Bierchen, hielt er einfach mitten auf dem Meer an und wir kühlten uns in unvorstellbar klarem Wasser ab. Beinahe 10 Meter tief sah man auf den Grund des Meeres und konnte die ulkigen Seegurken da unten zählen. Es war ein traumhaftschöner, sonniger Tag und noch nie waren wir bis jetzt in derart klarem Wasser geschwommen.


Viele Male waren es nur wir beide gewesen, die bei den Stopps in das erfrischende Nass getaucht waren, um sich eine Abkühlung zu verschaffen. Irgendwann kam es dann zur Sprache, warum unser Captain sich nicht ins Wasser wagte und wir erfuhren eine sehr bewegende Geschichte aus seiner Kindheit. Ein tragischer Unfall im Wasser war es, der selbst nach Jahrzehnten noch dazu führte, dass er das kühle Nass lieber bewunderte, als es auf der Haut zu spüren. Die Geschichte traf uns sehr und wir bemühten uns den großen Captain zu dem kleinen Schritt ins Wasser zu motivieren. Ben war lange Zeit Rettungsschwimmer gewesen und gab dem neu gewonnen Freund von Stunde zu Stunde mehr Sicherheit. Einige Bierpausen später genossen wir erneut das klare Wasser und hatten unseren wasserscheuen, tätowierten Bayern schließlich soweit. Von unserm Spaß und der Losgelassenheit ließ er sich schlussendlich mitreißen und machte mit einem Mal eine gewaltige Arschbombe ins kühle Nass. Gespannt warteten wir ab, bis der Riese wieder an die Oberfläche kam und mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu uns schwamm. Wir hakten uns bei ihm ein und ließen uns eine Weile treiben, übertrugen unsere Entspannung auf den flauschigen Glatzkopf und bekamen dafür tatsächlich ein Küsschen auf die Wange. Da hatten wir beide doch tatsächlich die Ehre gehabt, einen so gravierenden und lebensverändernden Moment bei einem doch völlig fremden Menschen miterleben zu dürfen. Jahrelang hatte sich der sonst so lebensfrohe Berg von einem Mann nicht ins Wasser getraut und unter dem Vorfall seiner Kindheit gelitten. Er hatte sich mit Schuldgefühlen und Erinnerungen gequält, die er mit einem Mal, mitten auf der Adria, zwischen uns beiden, beschloss loszulassen. Dieser Moment war an Emotionen nicht zu übertreffen und der spätere Abschied dieses Campingplatzgastes war mitunter einer der Schwersten. Wir denken immer noch oft an unseren flauschigen Captain und sind verdammt Stolz darauf, bei seinem Sprung in die Freiheit dabei gewesen sein zu dürfen.


Als dieser wahnsinnige Tag zu Ende ging, waren wir geschlagene acht Stunden auf dem Wasser gewesen. Der Sonnenbrand, der sich trotz ständigem Eincremen zu zeigen begann, war unser kleinstes Problem. Denn nur wenig später, als wir auf den Campingplatz zurückgekommen waren, machten sich bei Ben Hitzewallungen, Fieber und Übelkeit breit. Es schien ganz so, als ob er sich einen waschechten Hitzeschlag eingefangen hatte. Mit kalten Tüchern und Quark von oben bis unten eingewickelt, verbrachte Ben den Abend vollends im Bett und begann zum Glück nach einigen Stunden abzukühlen. Seine Temperatur sank langsam wieder und am nächsten Tag war er so leichtsinnig und unvernünftig wie gewohnt. Die neu gewonnene Genesung nutzte er dann auch sogleich, um sich eines abends etwas noch Fortgeschritteneres einzufangen.


Alles begann damit, dass unser Host uns erneut zu einer Tour in die Kornaten mitnahm und uns erzählte, dass der gute Freund des benachbarten Campingplatzes mit seiner ganzen Familie dabei sein würde. Wir beide freuten uns natürlich wieder sehr über die Einladung und verbrachten wieder einen tollen Abend am Meer mit kühlen Drinks und spannenden Gesprächen. Noch längst nicht hatten wir genug von diesem Leben und der Art unseres Host das Wochenende einzuläuten. Als wir an diesem Abend zurückfuhren, legten wir am ungewohnt schmalen Steg des benachbarten Campingplatzes an. Als wir aus dem Boot stiegen, stand der Besitzer des Platzes wie ein Fels am Anleger und brachte Ben ins Schaukeln. Er verlor das Gleichgewicht und machte einen scheinbar eleganten Köpfer ins Wasser.


Zurück an Land erst bemerkten wir den Schlamassel. Zwei von Bens Zehen färbten sich sofort blau und aus einem konnte man zwischen einer offenen Wunde und strömendem Blut den Knochen herausstehen sehen. Der Abend schien gelaufen, doch nachdem Ben sich im Camp an der Van-Apotheke mit starken Schmerzmitteln bedient hatte, wollte er sich nicht unterkriegen lassen und zur großen Feier auf den benachbarten Campingplatz, zu der wir herzlich eingeladen waren. Als Rettungssanitäter verarztete er den Bruch fachmännisch und sah es auch nicht ein, einen Arzt besuchen zu gehen.


Selbst der gebrochene und schmerzende Zeh konnte uns – und vor allem Ben – nicht davon abhalten doch noch einen unerwartet schönen Abend zu genießen. Wir kannten den Campingplatzbesitzer kaum, er uns ebenso wenig, doch das schien egal. Unser Host war ein guter Freund und das alleine war Grund genug, um uns zu seinem Familientreffen auf dem eigenen Campingplatz einzuladen. Sonst nur für das Personal zugänglich durften wir hinter den Kulissen eines bedeutend größeren Camps am Tisch einer vollkommen fremden Familie platznehmen. In großer Runde wurden wir zu frisch gefangenem und gegrilltem Fisch eingeladen und durften uns an einem üppig aufgetischten Buffet bedienen. Alle Getränke an der Bar des Campingplatzes gingen aufs Haus und schnell lernten wir, irgendetwas vom Tisch abzulehnen, wäre eine Beleidigung gewesen. Obwohl unser kroatisch noch sehr gebrochen ist und zu einer anständigen Unterhaltung nicht auch nur im Ansatz taugt, hatten wir einen unvergesslichen Abend in sensationeller Gesellschaft.


Doch gerade Bens Pechsträhne schien weiter anzuhalten. Noch in derselben Woche schaffe er es, sich beim Tauchen in den Tentakeln einer seltenen Quallenart zu verfangen und verbrannte sich binnen Sekunden großflächig die Brust bis zum Bauch. Große rote Striemen zeichneten sich sofort auf seiner Haut ab. Ein furchtbar brennender Schmerz breitete sich auf seinem Körper aus und wurde von Sekunde zu Sekunde schlimmer. Als Ben aus dem Wasser kam, schien es einen Moment gut zu sein, doch bereits eine leichte Brise, die sich über seine Haut zog, reichte aus, um ein unvorstellbares Brennen zu erzeugen. Auch dieses Mal halfen aber wieder altbewährte Hausmittelchen. Mit Essigwickel und Quark wurden die Schmerzen der Verbrennung im Laufe des Tages gelindert. Die Spuren davon sind allerdings noch heute zu sehen.


Noch bevor alle Blessuren wieder komplett ausgeheilt waren, musste Ben sich dann natürlich noch von einem Seeigel in die Mangel nehmen lassen, um auch behaupten zu können, alles einmal ausprobiert zu haben. Die Stacheln dieser kleinen Tierchen zählen so mitunter zu dem Fiesesten, was man sich in Kroatien einfangen kann. Nachdem wir mit dem Tipp Augen zu und durch von unserem Host eine Nadel in die Hand gedrückt bekamen, wurde am Ende des Tages aber auch dieses Problem gemeistert. Noch öfters hatten wir das Pech, den Tierchen auf unachtsame Weise zu nahe zu treten, so wurden wir im Laufe der letzten Wochen wahre Meister im Herausoperieren von Seeigelfragmenten aus Fußsohlen. Weniger schmerzhaft ist der Prozess allerdings nicht geworden. Das Aufbohren bzw. –schneiden der Einstichstelle, bis man den Seeigelstachel komplett herausdrücken kann, ist unwahrscheinlich schmerzhaft und erfordert absolutes Fingerspitzengefühl, da der Stacheln beim Greifen mit einer Pinzette oder Ähnlichem sofort bricht.


Das Pech machte sich auch scheinbar weiterhin an uns zu schaffen, als sich die Gutwetterfront eines Abends schlagartig drehte. Bereits am späten Nachmittag kündigte sich ein Sturm an, der uns in der Nacht sämtliche Planen zerriss, unsere Klamotten über den halben Campingplatz verteilte und sich schließlich in einem nicht enden wollenden Regen über Tage hinweg hielt.


Mit der Sonne kamen nach einigen Tagen neue Gäste auf den Campingplatz und wir lernten ein sehr aufgeschlossenes Pärchen mit einem extrem toughen Kind kennen. Die Tochter des Paares war zwar erst knapp 10 Jahre alt, redete aber abends beim Grillen mit den Großen mit, als täte sie nichts anderes. Komplett verschoss sich die Kleine Joline außerdem in unseren Korny und verbrachte jede freie Minute mit ihm. Einige schöne Tage hatten wir alle zusammen und gerade unser verschmuster Vierbeiner fand diese Campinggäste ganz besonders toll. Doch auch unseren kleinen Knirps riss es schmerzhaft aus dem Paradies, als er eines Abends bei der täglichen Gassierunde durch den nahe gelegenen Nationalpark in eine schreckliche Beißerei verwickelt wurde.


Natürlich war es Sonntagabend, als Korny winselnd mit sechs klaffenden Bisswunden im Oberschenkel blutverschmiert vor uns stand und uns die absolute Hilflosigkeit überkam. Vor der Klinik im nächsten Ort standen wir eine geschlagene Stunde, bis der zuständige Tierarzt sich gnädiger Weise blicken ließ. Er war von seiner bequemen Couch daheim aufgestanden, um für uns zur Praxis gefahren zu kommen. Nachdem wir über eine Stunde mit dem winselnden und blutenden Korny auf dem Arm vor der Praxis standen, schmiss uns der Tierarzt nach einer viertel Stunde wieder regelrecht vor die Türe. Er hatte die Wunden begutachtet, Korny eine schmerzlindernde Spritze gegeben und uns eine Packung Antibiotika in die Hand gedrückt. Damit war die Sache für ihn erledigt gewesen und er wollte zurück vor den Fernseher.


Mittlerweile sehen wir den ganzen Vorfall aber auch etwas relaxter. Korny hatte tapfer durchgehalten und seine Wunden sind ganz ohne Naht oder dergleichen bereits wieder gut am Verheilen. Er hat kein Trauma erlitten und genoss die Aufmerksamkeit, die ihm alle Gäste durch den bekanntgewordenen Vorfall zukommen ließen. Wir verbrachten noch einige unterhaltsame Abende mit dem frisch angereisten Pärchen. Korny wurde von Sarah und Sascha sowie der kleinen Jolin nur so in Mitleid ertränkt. Als die drei dann schließlich wieder abreisen mussten, folgte der nächste schwere Abschied, ganz besonders für die Jolin, die Korny so gerne mitgenommen hätte. Wir haben uns – nicht zuletzt wegen dem herzzerreißenden Wunsch der Kleinen, Korny wieder zu sehen – fest vorgenommen, uns auf jeden Fall in den nächsten Ferien zu treffen.


Doch auch diese Verabschiedung sollte nicht die Schwierigste sein. Der größte und schwerste Abschied kam kurze Zeit später auf uns zu, als wir ohne jede Vorwarnung erfuhren, dass der Campingplatz geschlossen wird. Eines Morgens kam die Nachricht von unserem Host, dass wir den Platz binnen weniger Stunden räumen müssen. Von einem Moment auf den anderen mussten wir vom Campingplatz fahren und unser Host wurde arbeitslos. Die Freundschaft, die sich über die Wochen entwickelt hat, führte dazu, dass wir bei ihm blieben und ihm halfen, sein gesamtes Hab und Gut von der Unterkunft auf dem Camp zu dem Grundstück befreundeter Nachbaren zu bringen. Im Gegenzug bot er uns an, mit dem Van auf dem Hof der Freunde noch eine Weile bleiben zu können.


Über zwei Wochen verbrachten wir jetzt noch auf dem Grundstück der Freunde unseres Hosts. Bei den Spaziergängen mit den Hunden entdeckten wir noch einige alte Ruinen aus Römerzeiten und einen verlassenen Wohnwagen am Wegrand. Doch mit dem Campingplatz tat sich nichts mehr. Vergebens hofften wir jeden Tag darauf, dass er wieder öffnen würde. Zwar hatten wir auch auf dem neuen Stellplatz nur wenige Meter bis zum Meer und eine tolle Aussicht, doch von Dauer war diese Lösung natürlich nicht. Die letzten Tage verbrachten wir mit unserem Host und guten Freund auf dem großen Grundstück seiner Bekannten, lernten die Katzen des Hauses kennen und hatten trotz der prekären Lage noch einige schöne Abende. Wir schwelgten alle in Erinnerungen an die schöne Zeit und schworen uns, befreundet zu bleiben. Unser unermüdlich optimistischer Freund suchte täglich nach Alternativen für sich und plante auch oft uns in seine Ideen mit ein, doch nach fast einem Monat haben wir uns nun dazu entschieden weiter zu fahren. Wir bleiben mit dem coolen Typ in den Badelatschen auf jeden Fall befreundet und sobald einer seiner Pläne sich in die Tat umsetzen lässt, werden wir wieder zurückkommen ins Paradies und schauen, was uns erwartet.


Wie unser Ausflug ins Paradies begann, kannst du im Artikel Reisetagebuch Kroatien 1/3, sowie dem Beitrag Reisetagebuch Kroatien 2/3 gerne nachlesen.

 


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