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Landunter zwischen Bürokratie und Regelwahn

Wie wir uns durch unseren Ausstieg gekämpft haben



Hund zwischen Ordnern und Papierkram.
Versunken im Bürokratie-Chaos

Ein großes Thema bei uns war bis Ende letzten Jahres neben dem Problem mit dem Van auch die Problematik mit Versicherungen und Verbindlichkeiten. Als Aussteiger will man davon natürlich so wenig wie möglich haben. Wir haben uns deshalb den vier großen Hürden Kfz-und Krankenversicherung sowie private- und geschäftliche Meldeanschrift gestellt.

In der Regel hat man diese einfach, sie laufen im Leben so neben einem her, erregen keine große Aufmerksamkeit und erfordern auch nicht sonderlich viel Fachwissen. Der Weg zu einer Anmeldung oder einem Vertragsabschluss wird einem in der Regel nach Handbuch von A - Z vorgegeben. Dennoch führt diese Vorgehensweise bereits oft schon zu der verständlichen Reaktion einfach nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen zu wollen und jede Lust auf weitere Informationsermittlung über das Thema zu verlieren. Ohne groß darüber nachzudenken akzeptieren die Meisten den vorgegebenen Weg um sich Zeit, Nerven und das Stoßen auf unerwartete Unwissenheit zu ersparen. Wir allerdings zerbrachen uns genau darüber den Kopf. So wenig wie möglich regelmäßige Ausgaben und Verbindlichkeiten wollten wir mit in unser neues Leben nehmen und fragten uns dabei stets, was dennoch unter das Nötige fällt. Konkret reden wir hier übrigens von folgenden vier Punkten:

  • Melde- und Postanschrift

  • Kranken- und Haftpflichtversicherung

  • Kfz-Zulassung und -Versicherung

  • Finanzamt und Gewerbeamt

Hinter jedem dieser Punkte stecken in der Regel Verbindlichkeiten, die dem Geldbeutel zu Leibe rücken oder regelmäßigen Papierkram mit sich bringen. Obwohl jedes dieser Themen für fast jeden von uns eine unweigerlich große Rolle im Leben spielt, setzt sich doch kaum jemand damit wirklich auseinander. Erst dann, wenn es Probleme gibt, muss man einen tieferen Blick in die Materie wagen, für viele Menschen bedeutet das – zum Glück – nie. Auch wir hatten nie Probleme mit unseren Verträgen. Erst, als wir anfingen uns von den traditionellen Mustern unserer Gesellschaft zu lösen um einen neuen Weg einzuschlagen, kamen wir in Konfrontation mit – unter anderem – diesen vier Punkten. Oft haben wir uns darüber geärgert, warum wir so vieles im Leben die letzten Jahre fraglos hingenommen haben, ohne einen Blick dahinter zu werfen. Wie die meisten Menschen waren auch wir zu faul gewesen uns in diese Themengebiete einzulesen. Vieles kam uns wie spanisch vor – das wir nicht lernen wollten – und so vertrauten wir halt Leuten, die vom Fach kamen und haben deren Wissen auch nie wirklich angezweifelt. Erst dann, als wir uns dazu entschlossen unser Leben zu vereinfachen, haben wir gemerkt, wie kompliziert es doch ist. Durch unsere Entscheidung in ein unkonventionelleres Leben zu starten, haben wir begonnen in einen Ameisenhaufen zu stechen, von dem wir keine Ahnung hatten, was er verbirgt. Trotz – oder vor allem wegen – dem vielen informieren, verstanden wir immer weniger und wurden die letzten Wochen und Monate immer wieder vor Fragen gestellt, auf die wir keine Antworten hatten. Mit jeder neuen Türe, die wir öffneten, kam uns ein Rattenschwanz in unerwartetem Ausmaß entgegen, der einen unwahrscheinlichen Zeitaufwand mit sich brachte. Dazu kamen noch all die Nerven, die strapaziert wurden durch sowohl Fehlinformationen sowie Fehlkommunikationen, die uns einiges unnötig erschwerten. An unsere Grenzen stießen wir nämlich oft nicht nur mit unserem eigenen Wissen. Wir bemerkten auch schnell die unbegreifliche Unwissenheit, die an zahlreichen (behördlichen) Stellen vorhanden zu sein scheint. Wir sind in keinem der aufgeführten Bereiche nun absolute Profis oder Fachleute! Allerdings haben wir uns doch ein umfangreiches Wissen in diesen Themenbereichen angeeignet und wollen dieses nun mit euch teilen. Dazu sei auch gesagt, dass wir uns natürlich nur über die Bestimmungen und Richtlinien in unserem eigenen Bundesland sowie der zuständigen Stadt informiert haben und vieles durchaus von Ort zu Ort unterschiedlich gehandhabt werden kann. Unsere Informationen beziehen sich auf Baden-Württemberg und unsere Heimatstadt Heilbronn sowie unseren letzten Wohnsitz Offenburg.


Gemeldet bleiben oder doch lieber abmelden?


Mit dieser Frage haben wir uns zu aller erst auseinandergesetzt und die Antwort darauf hat unser weiteres Vorgehen auch maßgeblich beeinflusst. Es gibt für beide Seiten jede Menge Pros und Contras. Im Wesentlichen beschränkt sich die Frage nach dem gemeldet bleiben aber immer auf folgende drei Argumente. Pro:

  • Du kommst leicht an Verträge mit deutschen Partnern in Sachen Handy, Bank, Versicherung und Co.

  • Du hast einen Ort an den deine Post geht, eine Referenz für jeden der deinen Wohnsitz abfragt und dieser ist auch im Personalausweis vermerkt.

  • Du kannst (relativ problemlos) ein Kfz anmelden sowie ein Gewerbe und hast ein für dich zuständiges Finanzamt

Contra:

  • Du bist auf dem Radar von zahlreichen“ Vereinen“, die etwas von dir wollen. Sei es die Müll- und Rundfunkgebühr oder in unserem Fall auch die Hundesteuer.

  • Auch aus all deine Verträge mit z.B. gesetzlicher Krankenversicherung und Festnetzanbieter kommst du (innerhalb der Mindestlaufzeit ) nicht so schnell raus.

  • Zudem gehört in der Regel zu einem Wohnsitz dazu, dass du dort auch wohnst. Du solltest also eine Wohnung besitzen oder gemietet haben. Schreibst du dich mit deinem Wohnsitz einfach bei der Adresse eines Freundes oder bei der Familie ein, wird dies nicht immer ganz so gerne gesehen.

Da für uns relativ schnell klar war, dass wir uns abmelden wollen, haben wir uns mit der Alternative „melden ohne eigene Wohnung“ auch nicht weiter auseinander gesetzt. Für uns war wichtig, aus den gängigen Verpflichtungen – welche das gemeldet sein mit sich bringt – heraus zu kommen und nicht überall bei jedem auf dem Radar zu sein. Wir wollen mit unserem Van durch die Welt reisen und das möglichst unabhängig mit so wenig Verpflichtung wie möglich aber so vielen wie nötig. Dafür haben wir unser gesamtes Hab und Gut auf ein Minimum reduziert, unseren Mietvertrag gekündigt und wollten so einen klaren Schlussstrich mit unserem alten Leben ziehen. Uns nun wieder unter der Adresse der Familie anzumelden schien uns auch einfach vom Gefühl her nicht das Richtige. Wir gingen also mit der Kündigungsbestätigung unseres Vermieters zum Rathaus im Ort um uns abzumelden. Dies wäre in Offenburg – wie uns gesagt wurde – auch ohne Vermieterbestätigung möglich gewesen. Das Abmelden war an sich eine schnelle Sache und Ruck Zuck waren die Hunde für „Tod erklärt“ und wir „Ohne Wohnsitz in Deutschland“. Man muss allerdings dazu sagen, dass wir ganz bewusst vor dem Abmelden noch einen Reisepass beantragt, einen Handyvertrag abgeschlossen und ein Bankkonto eröffnet haben. Dies sind drei elementare Sachen, die wir für unser neues Leben brauchen und die mit eingetragenem Wohnsitz im Personalausweis einfach bedeutend leichter zu genehmigen sind. Ganz besonders der Reisepass, den man ohne Wohnsitz nur sehr schwer beantragt bekommt – aber damit setzten wir uns erst wieder in 10 Jahren auseinander. Soweit so gut, durch die Abmeldung kamen wir relativ leicht aus unserem DSL und Festnetz Vertrag raus und auch das Kündigen des Stromvertrages lief reibungslos. Welche Probleme wir nun mit zahlreichen anderen Angelegenheiten ohne Wohnsitz bekamen, darüber wussten wir schon ungefähr Bescheid. Ungefähr.


Die Krankenversicherung


Das wichtigste im Leben ist die Gesundheit. Von allen Versicherungen die wir gekündigt haben, wollten wir diese auf jeden Fall behalten, doch das stellte sich als verdammt schwierig raus. Wir waren beide unser Leben lang gesetzlich versichert und hatten nach dem Studium für unsere Krankenversicherung einen monatlichen Satz von 190 Euro pro Person zu zahlen. Das war definitiv zu viel für uns! Hinzu kam noch, dass die Leistungen im Ausland nur über einen bestimmten Zeitraum bewilligt werden (Urlaubstarif) und nicht dafür ausgelegt sind, über Jahre beansprucht zu werden. In den Hotlines unserer Versicherungen wurden wir Million Mal gefragt, in welches Land wir ziehen werden und mit unserer Antwort: „In keines! – Wir sind wohnsitzlos!“, war so ziemlich jeder Angestellte überfordert. Für uns war klar, dass wir aus der Gesetzlichen erstmal raus müssen. Auch eine Anwartschaft für 50 Euro im Monat lehnten wir ab. Ohne jegliche Leistungen beziehen zu können – nur um den Platz in der Versicherung zu reservieren bis man irgendwann zurück kommt – so viel Geld im Monat zu zahlen, dass sahen wir nicht ein. Die Anrufe bei den Versicherungen und die Anfragen auf Beratung führte bei uns nur zu noch mehr Verwirrung und Unsicherheit. Nach Wochen bekamen wir schließlich durch Zufall mal den Teamleiter der zuständigen Stelle ans Telefon und erst dann machte das Reden mit einem Angestellten der Versicherung wirklich Sinn. Wir erfuhren, das eine Anwartschaft in unserem Alter sowieso quatsch sei, da man bis zum 54. Lebensjahr jederzeit wieder in die gesetzliche aufgenommen wird, wenn man bestimmte Kriterien erfüllt (zum Beispiel als Angestellter bei einer deutschen Firma oder als Arbeitsloser bei der Agentur für Arbeit). Zudem erfuhren wir, dass das Austreten aus der gesetzlichen Versicherung nur möglich ist, wenn man eine neue Versicherung nachweisen kann und noch einfacher geht das, wenn man gleich dazu noch beweisen kann, dass man keinen Wohnsitz mehr im Versicherungsland hat. Dann gingen die Meinungen der Versicherungen allerdings auch schon auseinander. Während Jess Versicherung darauf plädierte, dass es im Grunde noch egal sei, ob sie gemeldet sei oder nicht, in Deutschland herrsche Versicherungspflicht und so lange sie keine neue Krankenversicherung nachweisen könne, sei sie auch noch bei ihnen versichert, sah Jens Versicherung das anders. Ihm wurde nämlich mitgeteilt, dass er mit dem Abmelden aus Deutschland auch automatisch nicht mehr bei ihnen versichert sei, da er ja keinen Wohnsitz mehr im Bestimmungsland hätte. Über die im Sozialgesetzbuch verankerte Versicherungspflicht wurde Jens mit keinem Wort informiert. Da nur eine der beiden Versicherung im Recht sein kann, einigten wir uns darauf, dass Jess wohl eine kompetentere Beraterin hatte. Das Argument seiner Beraterin hinkte unserer Meinung nach etwas hinterher. Und hier lasen wir zudem auch noch einmal nach, dass man nicht so einfach „Nicht versichert“ sein kann in Deutschland. An dieser Stelle müssen wir nun auch noch mal die absolut unfassbare Unwissenheit solcher Berater – bei derart wichtigen Themen – betonen, die uns noch bedeutend öfter als hier erwähnt unter Beweis gestellt wurde. Unseren nächsten Gedanken über eine Urlaubsversicherung – wie sie klassischerweise vom ADAC oder der Hansemerkur angeboten wird – verwarfen wir auch schnell wieder. Diese Versicherungen laufen oft nur maximal 52 Tage (seltener auch 24 Monate) und man ist in der Regel auch nicht im deutschen Inland versichert. Genau dieser Punkt war uns aber sehr wichtig. Da wir auch die Familie besuchen gehen wollen, auf unserer Reise sicherlich oft Deutschland durchqueren werden und uns auch die schönsten Ecken Deutschlands anschauen wollen, müssen wir unbedingt auch in Deutschland mitversichert sein. Nach einigen Gesprächen mit sehr netten Versicherungsmarklern, entschieden wir uns schließlich für eine internationale, vollwertige Krankenversicherung. Diese Versicherung ist, trotz ihrer Vollwertigkeit weltweit (ohne USA und Kanada), nur für die Kostenübernahme bei wirklich schlimmen Unfällen vorgesehen. Bei einem monatlichen Beitrag von 82 Euro pro Person mit einer Selbstbeteiligung von 500 Euro darf man nicht den Luxus der gesetzlichen Krankenversicherung erwarten. Auch hier haben wir wieder gemerkt, wie verrückt es doch war die letzten Jahre über die nicht übernommenen Leistungen unserer gesetzlichen Krankenkassen zu fluchen, wenn wir uns nun mit dem Leistungskatalog unserer neuen Versicherung auseinandersetzten. Dieser war deutlich reduzierter, als man die Unterstützung der gesetzlichen Kasse so kannte, versprach zwar bei großen Operationen und Gesundheitsleiden zu helfen aber nicht bei jedem Zipperlein. Da wir zwischendurch sogar mit dem Gedanken gespielt hatten uns gar nicht zu versichern, stellte dies einen guten Mittelweg dar. Über einen sehr geduldigen und verständnisvollen Makler schlossen wir schließlich den Vertrag problemlos – ohne Wohnsitz – ab und kamen so auch aus unseren Verträgen mit den gesetzlichen Versicherungen raus. Man darf bei dem Vorhaben in ein neues Leben als Reisender, Globetrotter, Digitalnomade oder Vanlifer auch eine ganz wichtige Sache nicht vergessen: Das Hamsterrad ist oft die alleinige Ursache unserer Krankheiten und Symptome! Viele körperliche Beschwerden sind heutzutage auf psychischen Stress zurückzuführen. Es ist ja schon vom Arbeitgeber so vorgeschrieben, dass man beim kleinsten Anzeichen einer Grippe sich entweder zusammenreisen und weiterarbeiten soll, oder aber sofort zum Arzt geschickt wird um sich von dem erstmal mit Medikamenten zudröhnen zu lassen um alle Anzeichen eines Infekts sofort einzudämmen. Der Leistungsdruck unserer Gesellschaft schlägt vielen Individuen aufs Gemüt. Kaum ein fleißiger „Hamster“ lässt heutzutage seinen Körper nach einer Grippe richtig auskurieren. Das Futter muss schnell in den Bau, bevor der nächste Regen kommt. Und regnen könnte es ja schließlich jeden Augenblick, also bloß keine Zeit verlieren! Die Seele baumeln und den Körper zu Kräften kommen zu lassen ist in den Leben vieler Arbeitender die absolute Seltenheit. Allein die positive Energie, die das Leben in eine andere Richtung mit sich bringt, stärkt den Körper von innen heraus mit ungeahnten Kräften. Für viele scheint es so, als würden wir uns mit unserem neuen – gefährlichen – Lebensstil eine viel zu schlechte Versicherung nehmen. Wir sind aber der Meinung, dass wir mit einer guten Versicherung nicht automatisch ein besseres Leben führen würden. In unseren Augen ist das Leben, welches wir vor uns sehen bedeutend ungefährlicher wie das, welches wir als Hamster im Rad vor uns hätten.


Kfz-Zulassung und -Versicherung


Ohne Wohnsitz ein Auto anmelden? Für die meisten Behörden ein klares: Nein! – So wurde uns zunächst auch in der Zulassungsstelle von Heilbronn geantwortet. Doch nach etwas Recherche sind wir auf die faszinierende Möglichkeit einer sogenannten Empfangsbevollmächtigung gestoßen. Auf dieser Seite haben wir uns ein fertiges Formular zum Ausfüllen heruntergeladen. Dieses verweist ganz klar auf § 46 Abs. 2 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung, laut dieser ist es nämlich sehr wohl möglich, ohne festen Wohnsitz einen Wagen anzumelden. Für uns, als Reisende mit einem Camper Van, war dies sehr wichtig. Denn unser erster Plan, den Wagen auf jemand anderes laufen zu lassen, löste sich schnell in Luft auf. Wir schlossen nämlich zusätzlich zu unserer Kfz-Versicherung auch eine Inventarversicherung ab. Diese teilte uns nach Anfrage mit, dass ausschließlich das Hab und Gut der Person versichert sei, auf die der Wagen gemeldet ist. Blöd, wenn von der absolut nichts im Wagen ist, dafür aber all unsere Wertsachen. Da wir und sowieso nicht allzu sehr von Anderen abhängig machen wollten, war für uns schnell klar: Es muss einen Weg geben ohne festen Wohnsitz einen Wagen anzumelden! Mit einer Empfangsbevollmächtigung ist eben genau dies möglich. Abhängig macht man sich zwar dennoch, aber in einem ganz anderen Ausmaß. Mit der Bevollmächtigung, die wir auf einen nahen Verwandten ausstellten und die Kopie dessen Personalausweises, gingen wir zur Zulassungsstelle in Heilbronn. Zusammen mit dem Fahrzeugbrief und -schein sowie unseren Personalausweisen, ließen wir unseren Van vom Händler auf einen von uns bzw. die empfangsbevollmächtigte Person umschreiben. Trotz dem Beisammensein aller nötigen Formulare war die nette Frau am Schalter mehr als nur überfordert, was sie mit einem Ausweis mit dem Vermerk Ohne Wohnsitz in Deutschland sowie einer Empfangsbevollmächtigung anfangen soll. Doch mit der nötigen Geduld – die man bei solchen Sonderwünschen wirklich braucht – hatten wir nach einer knappen dreiviertel Stunde (sowie der üblichen vorangegangenen vier Stunden Wartezeit) dann endlich unseren Van angemeldet, ohne eine Wohnsitz. Mit der Versicherung war dann ein ähnlich interessantes Problem vorhanden. Die Inventarversicherung lief nun zwar auf unser Hab und Gut, doch greifen würde sie, wie die meisten Versicherungen in Deutschland, streng genommen nicht, da wir ja auch keinen Wohnsitz in Deutschland haben. Lange Rede, kurzer Sinn, nach zwei endlosen Wochen Telefoniererei mit gefühlt jedem Angestellten der Kfz- und Inventarversicherung, ging es schließlich doch. Millionen Male mussten wir erklären, dass wir es sehr wohl geschafft haben ohne Wohnsitz den Wagen anzumelden und nun einfach nur bestätigt haben wollen, dass die Versicherung – die uns mit Vollkasko doch erhebliche Kosten bereitet – nun auch bereit ist uns zu übernehmen. Von „Nein, ohne Wohnsitz keine Chance!“ zu „Ja klar doch, aber bestätigen kann ich ihnen das nun nicht!“, arbeiteten wir uns durch alle Mitarbeiter der Versicherung, bis wir schließlich jemanden an der Strippe hatten, der faszinierender Weise nicht nur nett sondern auch kompetent und engagiert war und sich unserem Problem tatsächlich ernsthaft annahm. Uns wurde erklärt, dass die Versicherung einen Wagen versichert, sobald er angemeldet ist. Sind also die Bedingungen für eine Anmeldung bei der Zulassungsbehörde erfüllt, ist dies auch für die Versicherung so in Ordnung. Wir bekamen noch einmal ausdrücklich per Email bestätigt, dass unsere Vollkasko Versicherung für unser Zuhause vollwertig in Anspruch genommen werden kann, unabhängig von dem (nicht vorhandenen) Wohnsitz, solange der Wagen (auf uns) gemeldet ist. Dafür waren dann auch absolut keine weiteren Formulare etc. erforderlich und so waren auch wir zufrieden. Es war uns an dieser Stelle sehr wichtig, das nochmals schriftlich bestätigt zu bekommen um nicht blöd dazustehen wenn wir auf die Versicherung einmal angewiesen sein sollten und diese dann blockt.


Finanzamt und Gewerbeamt


Auch hier liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Empfangsbevollmächtigung. Zumindest für das Finanzamt. Das hat nämlich – nach einigem Hin und Her und vielen Erklärungen – kein Problem damit, wenn man Steuern zahlen will, ohne weiter im Ort zu wohnen. Zu beachten ist dabei nur, dass das Finanzamt zuständig ist, bei dem man zu Letzt gemeldet war. Für uns war das somit Offenburg. Die Empfangsbevollmächtigung ist in unserem Fall mehr oder weniger nur zur Beruhigung da, um sicherzustellen, dass die Post vom Finanzamt auch wirklich bei jemandem ankommt. Wir fanden hier ein gutes Formular zum Ausfüllen für unser zuständiges Amt. Wieder entschieden wir uns für einen nahen Verwandten, dem wir das Recht des Empfangs der Post des Finanzamtes einräumten. Wo diese empfangsbevollmächtigte Person wohnt, spielt dabei keinen Rolle, wichtig ist nur, wo man selbst zuletzt gewohnt hat. Soweit so gut, ein sehr großes Problem ließ sich – trotz fehlendem Wohnsitz – somit verhältnismäßig leicht lösen. Kommen wir nun zu unserem letzten, nervenraubenden und zeitfressenden Punkt: Das Gewerbeamt. Da wir nun mit Onlineshop und Werbeschaltung doch einige Einnahmequellen haben, die ganz klar unter Gewerbetätigkeit fallen, sollten wir eigentlich ein Gewerbe anmelden. Auch wenn unsere Einnahmen und der daraus resultierende Gewinn noch denkbar gering sind (unter 9 000€/Jahr, ab denen man erst Einkommensteuer zahlen muss), sich somit wohl nicht einmal das Finanzamt um uns schert, wollten wir dennoch alles korrekt machen. Doch auch dem Gewerbeamt, waren wir erstmal egal. Da man als Einzelunternehmen und Personengesellschaft einen Freibetrag von 24.500 Euro/ Jahr hat, müssten wir diesen erst einmal überschreiten, damit wir für das Gewerbeamt überhaupt interessant werden. Zudem fühlte sich absolut kein Gewerbeamt für uns zuständig. Wir stellten bei endlos langen Gesprächen und Erklärungsversuchen über unserer Lebenslage immer wieder fest, dass sich ohne Wohnsitz keiner für uns verantwortlich fühlte und uns nehmen wollte. Schlussendlich ließen wir es auch darauf beruhen. Dem Finanzamt liefern wir nun jährlich Rechenschaft über unseren Gewinn und Umsatz und von dessen Seite bekamen wir nur zu hören: „Wenn das Gewerbeamt Sie nicht will, selbst schuld!“.


Unser Fazit:


Ohne Wohnsitz werden die Behördengänge sehr intensiv, und langwierig. Doch wenn man sich der Herausforderung stellt, kann man sehr viel darüber lernen, wie das System tickt und auch einige Schlupflöcher finden. Es gibt viele legale Wege zu einem unkonventionellen Leben ohne festen Wohnsitz, in dem man dennoch seinen wenigen wichtigen Meldepflichten in Deutschland nachkommen kann. Leider kennen die wenigsten Angestellten der Behörden diese Wege und Mittel. Deshalb ist viel Eigenengagement und Recherche nötig um diesen Weg erfolgreich gehen zu können. Die Alternativen des gemeldet bleiben in Deutschland oder des Melden im Ausland haben sicher auch genug Für und Wieder. Oft haben wir uns auch gefragt, ob sich all der Aufwand gelohnt hat, nur um sich frei zu fühlen ohne Wohnsitz. Im Moment ist unsere Antwort darauf noch ein ganz klares Ja. Wir bereuen die investierte Zeit nicht, zehren sicher noch eine ganze Weile von dem erlangten Wissen und fühlen uns sehr wohl, mit diesem ungewöhnlichen Weg - ohne festen Wohnsitz - den wir gegangen sind.

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